Alle hier vorgestellten Runden im Lake District sind außergewöhnlich schön. Doch wenn ich hier tatsächlich nur einen Tag Zeit zum Radfahren hätte, ich würde diese Runde wählen. Landschaftlich so schön, dass man den Lake District einfach lieben muss, so steil und schwer, dass man ihn im gleichen Atemzug verflucht und gegen Ende wartet in der Drunken Duck britische Pubkultur vom Feinsten.
Man kann sich streiten, ob die Kombination aus Hardknott und Wrynose Pass nun von West nach Ost oder von Ost nach West schwerer ist. Bei der Fahrt von West nach Ost aus dem Eskdale, wie bei der Fred Whitton Challenge befahren, heißt es die berüchtigte, Oberschenkel-vernichtende S-Kurve am Hardknott zu überwinden, dafür bereitet der Wrynose keine übermenschlichen Schwierigkeiten mehr. Dagegen hinkt bei der Fahrt aus dem Little Langdale, wie hier beschrieben, die maximale Schwierigkeit zwar etwas hinterher, dafür ist der Wrynose von dieser Seite definitiv einer der schwersten Anstiege im Lake District und auch der Hardknott knackt auf dieser vermeintlich leichteren Seite die 30%-Marke. Wie auch immer: leicht ist diese Kombination von keiner Seite.
Selbiges gilt natürlich auch für die landschaftlichen Vorzüge. Auch hier ist es fast unmöglich, einer Seite den Vorzug zu geben. Man würde unweigerlich der anderen Richtung unrecht tun und das hat sich wahrlich keine dieser zwei grandiosen Fahrten verdient.
Nach kurzer Einrollphase türmt er sich dann also auf vor uns, der Wrynose Pass. Lake District typisch schlängelt sich ein schmales ruppiges Asphaltband durch die karge Berglandschaft und nimmt dabei wenig Rücksicht auf die Fitness seiner Möchtegern-Bezwinger. Gemeinerweise kommt das steilste Stück dann auch noch gegen Ende des Anstiegs und so verspürt man nach nur 14 Kilometern doch schon ein gewisses Zwicken im Oberschenkel.
Entschädigt wird man mit der zwar nur kurzen, dafür umso schöneren Abfahrt durch das obere Duddon Valley. Nur allzu kurz ist das Vergnügen, denn der Hardknott wartet bereits kurz nach der Abzweigung im Weiler Cockley Beck mit einer 30%-Rampe. Dann wird er allerdings etwas flacher und leichter. Überall anders würde diese immer noch deutlich im zweistelligen Bereich liegende Durchschnittssteigung Angstschweiß hervorrufen, aber hier im Lake District wird man genügsam und gewöhnt sich allmählich an die Steigungen.
Was einem bei der Auffahrt auf den Hardknott von der anderen Seite aus dem Eskdale als Schwäche ausgelegt werden könnte, kann und sollte man sich jetzt bei der Abfahrt erlauben: eine Pause auf halber Strecke. Nur wenige Schritte neben der Straße liegen nämlich die Überreste eines römischen Forts, die unbedingt einen Abstecher wert sind. Stationiert wurden hier im zweiten Jahrhundert dalmatinische Legionäre fern der Heimat. Wie wohl sich diese hier nahe der schottischen Grenze gefühlt haben mögen, kann sich jeder selbst ausmalen.
Auch im idyllischen Eskdale, einem der wenigen Täler im Lake District ohne größeren See, ist uns nur eine kurze Verschnaufpause vergönnt, der nächste Anstieg, der Birker Fell, wartet nämlich schon. Dieser vergleichsweise flache Anstieg, wobei auch hier fast eine Durchschnittssteigung von zehn Prozent erreicht wird, bringt uns wieder zurück ins Duddon Valley, wobei das einsame Hochplateau, über das die Straße führt, durchaus zu einer Pause und einem Rundumblick einlädt.
Der Charakter der Topographie ändert sich in weiterer Folge kaum, es folgen mit dem Kiln Bank Cross, Broughton Mills und Broughton Moor weitere kurze aber teilweise recht deftige Anstiege. Aber zum Glück bleibt auch der Straßencharakter gleich. Meist schmale, einspurige, von Steinmauern gesäumte Sträßchen führen durch die verstreuten Weiler und Höfe und Autos begegnen einem nur sporadisch: ein wahres Rennradparadies in einer einzigartigen Landschaft.
Erst ab dem Coniston Water nimmt der Verkehr dann wieder etwas zu. Da kann man sich dann aber schön langsam auf die letzte Pause des Tages freuen. Das einsam an einer Kreuzung gelegene Pub “The Drunken Duck” sollte nämlich unbedingt zu einer Einkehr genutzt werden.
Der Wirt benennt alle seine vor Ort gebrauten Bieren nach einem seiner Hunde. Teilweise haben Hunde und Biere etwas eigenwillige Namen, was der Grund dafür ist, dass man hier mit bestem Gewissen ein Red Bull bestellen kann und tatsächlich ein vernünftiges Getränk bekommt.
Allzu sehr sollte man seinem Bier-Durst aber noch nicht nachgeben, warten doch noch eine kurvige Abfahrt und einige flache Kilometer, bis man den Ausgangspunkt in Grasmere wieder erreicht.
Grasmere
Grasmere - Little Langdale - Wrynose Pass - Hardknott Pass - Birker Fell - Kiln Bank Cross - Broughton Moor - Coniston - Ambleside - Grasmere