Wenn sich ein Anstieg schon offiziell “The Struggle” nennt, und wenn sich dieser Anstieg dann auch noch im nicht gerade für flache Anstiege bekannten Lake District befindet, dann ist eines klar: Bergkraxler sind im Vorteil. Hat man diese Anfangshürde aber erst überwunden, kann beruhigt in den Genußmodus geschaltet werden, denn der Rest der Runde steht ganz klar unter touristischer Flagge.
Nach kurzer Einrollphase beginnt der furchteinflößende Anstieg in Ambleside am nördlichen Ende des Lake Windermere, dem größten See Englands. Furchteinflößend ist aber nicht nur The Struggle selbst, sondern ganz allgemein sollte man die Gefahren der umliegenden Bergwelt nicht unterschätzen. Bestes Indiz dafür ist, dass sich in Ambleside die am häufigsten zu Einsätzen gerufene Bergrettungsstation ganz Großbritanniens befindet.
Der Anstieg macht auch keine Kompromisse. Schnurgerade, ohne unnötige Kurven zieht die Straße auf den Kirkstone Pass, den höchsten befahrbaren Pass des Lake Districts. Nur Hartgesottene haben dabei noch einen Blick über für den bereits weit unter uns liegenden Lake Windermere und die schöne karge Landschaft, die von kilometerlangen Steinmauern durchzogen wird.
Fast ebenso steil wie die Auffahrt ist die Abfahrt auf der Nordseite des Passes, und vor allem bei Nässe und Nebel, was in Nordengland angeblich ja doch gelegentlich vorkommt, sollte man das ganze nicht allzu ungestüm angehen.
Unten angekommen wartet das Ullswater, für manchen der schönste See des Lake Districts, und weil er so schön ist, führt unsere Runde fast 20 Kilometer das Nordufer entlang. Dann reicht es aber mit der See-Idylle, schließlich warten noch weitere Attraktionen.
Zunächst geht es auf netten kleinen Straßen und wieder etwas hügeliger Richtung Norden und später Richtung Nord-Westen, bevor der nördliche Wendepunkt erreicht wird.
Spätestens hier weiß man dann auch, warum man den Lake District unbedingt im Frühling besuchen sollte. Einerseits weil das Wetter im Mai am stabilsten und trockensten ist, aber natürlich auch weil nur dann der Ginster blüht. Und so eine gelbe Blütenpracht, wie sie einem auf den nun folgenden Kilometern entlang der Abhänge der nördlichen Fells, wie die Berge hier meist heißen, begegnet, rechtfertigt es allemal, die Reiseplanung nach ihr zu richten.
Nach einer angemessenen Stärkung in Mungrisdale im Mill’s Inn mit einem Ale (um ehrlich zu sein: zwei) und einem Sandwich, geht es auf einer wunderbar kleinen und verkehrsfreien Straße in Richtung Keswick. Die bei der Fred Whitton Challenge befahrene große Schnellstraße hat übrigens auf der rechten Seite einen Fahrradweg. So stellt auch dieser etwas unschöne Abschnitt kein Problem dar und weil heute nun einmal Sightseeing am Programm steht, darf eine bald darauf erreichte weitere Attraktion natürlich nicht fehlen.
Der Chestnut Hill wäre allein aufgrund seines grandiosen 360°- Rundumblickes einen Abstecher wert. Es kann also kein Zufall sein, dass sich ausgerechnet hier einer der größten Steinkreise Großbritanniens, der Castlerigg Stone Circle, befindet. Zwischen den vermutlich zur Jungsteinzeit aufgestellten Steinriesen zu stehen, verursacht definitiv ein erhabenes Gefühl.
So beseelt machen wir uns auf die letzten 20 Kilometer des Tages. Die Rückfahrt verläuft zunächst in einem ruhigen Tal mit dem klingenden Namen “St.John’s in the vale”, führt dann am ruhigen Westufer des Thirlmere Sees entlang, bevor man dann wenig später den Ausgangsort Grasmere erreicht.
Zusammenfassend kann man sagen: nicht die schwerste Tour des Lake Districts, aber sicher eine der genussvollsten.
Grasmere
Grasmere - Ambleside - Kirkstone Pass - Glenridding - Greystoke - Mungrisdale - Castlerigg Stone Circle - Thirlmere - Grasmere