Es wundert mich immer wieder, wie unterschiedlich Rennradfahrer sind. Man würde meinen, dass doch eine Mehrheit versucht, die Hauptverkehrsstrecken zu meiden und sich eher auf kleine und ruhige Straßen zurückzieht. Weit gefehlt. Während sich an diesem herrlichen warmen Herbstsamstag unglaubliche Mengen an Radfahrern, teilweise Gruppen von 30 und mehr Radlern, mit ebenso vielen Auto- und Motorradfahrern auf der Gardesana mit ständigem Gehupe und Geschimpfe herumärgern, ist man nur wenig Kilometer westlich vom Trubel völlig alleine. Einige Tollkühne begleiten uns noch die erste Steigung hinauf bis Navazzo, spätestens hier, acht Kilometer vom Trampelpfad entfernt, drehen dann aber auch sie um und Radfahrer bekommen wir auf den nächsten 40 Kilometern keine mehr zu sehen. Und das definitiv nicht, weil sich dieser Abstecher ins Hinterland nicht auszahlen würde.
Vom Parkplatz in Gargnano geht es kurz auf der Gardesana südwärts, bevor man rechts dem Wegweiser Richtung Capovalle folgen kann. Bereits hier zeigt die Runde, was sie zu bieten hat. Mit wunderbaren Blicken über den Gardasee auf das auf der anderen Seeseite aufragende Baldo-Massiv zieht die Straße in langgezogenen Serpentinen knapp 500 Höhenmeter nach oben.
Kurz vor Navazzo legt sich die Straße deutlich nach hinten und der bis hierin schon kaum wahrnehmbare Verkehr hört jetzt völlig auf.
Durch ein einsames, tief eingeschnittenes und dicht bewaldetes Tal schlängelt sich die Straße ins Landesinnere. Man fährt vorbei an der über 100 Meter hohen Staumauer und dem dahinter liegenden fjordartigen Lago di Valvestino. Fotomotive ergeben sich genügend.
Kurz nach Ende des Stausees erreicht man eine Kreuzung, an der man entweder links abzweigen und den direkten Weg nach Capovalle nehmen kann, oder aber man baut noch einen kleinen Umweg über die einsamen Bergdörfer Turano, Persone und Moerna ein, bevor man ebenfalls nach Capovalle kommt.
Diese Dörfer sind übrigens alle ausschließlich von Süden, also von der Lombardei aus, zu erreichen, trotzdem kämpfen sie seit Jahren darum, wieder dem Trentino, dem sie bis 1934 angehörten, angegliedert zu werden.
Unmittelbar nach Capovalle überquert man den Passo San Rocco, dessen Westrampe von Idro heraufzieht. Bereits in der ersten Serpentine der Abfahrt kann man die Hauptstraße schon wieder Richtung Treviso Bresciano und Passo del Cavallino della Fobbia verlassen. Ein schmales, traumhaftes Sträßchen zieht steil und kurvenreich hinauf zu diesem unbekannten Pass, dem höchsten Punkt dieser Runde. Spektakulär durchzieht das Asphaltband die steilen, bewaldeten Abhänge und führt später an einer hübsch gelegenen kleinen Wallfahrtskirche vorbei, die anlässlich einer Marienerscheinung hierher in die Einsamkeit gebaut wurde. Auf der Liste der schönsten Rennradstraßen nimmt dieser Abschnitt auf jeden Fall einen vorderen Rang ein.
Die nun folgende enge Abfahrt erfordert wegen der Straßenverhältnissen einige Vorsicht und bringt einen hinunter nach Vobarno im Val Sabbia. In Vobarno biegt man links auf die Hauptstraße ab, kann diese aber schon bald, nachdem ein Tunnel rechts umfahren wurde, wieder verlassen und fährt durch einige Dörfer nach Salò, der größten Stadt am Westufer des Gardasees.
Falls man nicht unbedingt durchs Zentrum von Salò fahren will, bleibt man am besten auf der Umfahrungsstraße, der Via dei Colli. Nach nicht einmal drei Kilometern kann diese verkehrsreiche Straße auch schon wieder verlassen werden, die Runde hat nämlich noch ein weiteres Highlight zu bieten. Verheißungsvoll kündigt der Wegweiser die links abzweigende „strada panoramica“ an. Und das ist auch nicht zu viel versprochen. Herrliche Tiefblicke auf Salò und den See entschädigen auf jeden Fall für den Umweg und den zusätzlichen 300-Höhenmeter-Anstieg.
Damit sind die Schwierigkeiten der Runde aber fast geschafft. Ebenso panoramareich geht es hinunter nach Toscolano-Maderno und von hier entweder auf der Gardesana oder auf einer parallel dazu verlaufenden kleineren Straße, die allerdings noch einmal 100 Höhenmeter erfordert, zurück nach Gargnano, wo wir es uns erschöpft aber zufrieden in einem der Cafés an der Seepromenade gemütlich machen.
Gargnano, Via del Ruc, Parking Fontanelle (kostenpflichtig: 5€ Tagesgebühr)
Gargnano - Navazzo - Lago di Valvestino - Turano - Persone - Moerna - Capovalle - Passo San Rocco - Passo del Cavallino della Fobbia - Vobarno - Gazzane - Salò - San Michele - Tosolano-Maderno - Bogliaco - Gargnano