Da uns am Vortag der Wind an der Küste verblasen hat, wird die heutige Königsetappe einfach ins Landesinnere verlegt. Was für ein Glücksgriff und was für eine Etappe: herausfordernd, ohne brutal zu sein; verkehrsfrei, ohne dass die Straßenqualität darunter leidet und landschaftlich sowieso vom Feinsten wie jede Tour auf Sardinien. Und dann wird das Ganze noch mit einer Extraportion Adrenalin gewürzt: die Angst vor den Hütehunden, die die zahlreichen Schafherden bewachen, verleiht von Zeit zu Zeit nicht für möglich gehaltene Kräfte, ein ungeplantes Intervalltraining.
Los geht es in Senorbi, einer kleinen Stadt im Landesinneren 40 Kilometer nördlich von Cagliari. Es geht über Sisini hinauf nach Siurgus Donigala. Wunderschön umrundet man auf der SP65 und dann auf der SP10 den Lago di Mulargia. Immer darauf gefasst, bei heranstürmenden, wild bellenden Hunden ein paar kraftvolle Fluchttritte in die Pedale zu knallen.
In Sardinien gilt nämlich freies Weiderecht. Das heißt, dass die unzähligen Schafherden nicht eingezäunt sind, sondern frei von Weide zu Weide ziehen. Meist sind sie nur von etlichen Hunden begleitet, die nichts lieber tun, als potentielle Schafräuber zu vertreiben. Uns haben sie jedenfalls des öfteren erfolgreich vertrieben und der Puls ist nicht nur durch die Anstrengung sondern auch angstbedingt regelmäßig nach oben geschnellt. Ob die Angst restlos unbegründet war und uns die Hunde ohnehin nichts getan hätten, wissen wir nicht. Wir haben allzu engen Kontakt vermieden, sind die Flucht angetreten und passiert ist uns letztendlich nichts.
Einige Kilometer nach Orolli, dem nördlichsten Punkt unserer Runde, fährt man an der Nuraghe Arrubiu, dem größten nuraghischen Komplex Sardiniens aus dem 15. Jahrhundert v. Chr., vorbei. Für historisch und archäologisch Interessierte ein zusätzlicher Pluspunkt der Runde.
In dem hoch über dem Flumendosatal gelegenen Städtchen Escalaplano gibt es die verdiente Espressopause, dann gehts bei kräftigem Rückenwind mit rasanter Geschwindigkeit das Flumendosatal hinaus. Unterbrochen nur von einer Reifenpanne zugezogen durch 20cm lange, in Fahrtrichtung ausgerichtete Brücken-Dehnungsfugen, in denen auch ein Schwalbe Fat Albert seine Probleme bekommen hätte. Das hätte auch blöder als nur mit einer Reifenpanne ausgehen können.
Nach einiger Zeit im Flumendosatal und drei kurzen, problemlos zu befahrenden Tunnels zweigt rechts die SP27 ab. Eine ideale Rennradstraße schlängelt sich die 500 Höhenmeter nach Villasalto hinauf, einfach nur wunderschön!
Oben bläst uns nach dem angenehm warmen im Windschatten gelegenen Anstieg überraschend ein kräftiger Wind entgegen und es wird empfindlich kühler. Es sind aber noch 35 km bis zum Auto und so beissen wir die Zähne zusammen und kämpfen gegen den Wind an. Ständig bergauf und -ab geht es über San Nicolo Gerrei nach Silius. Auf dem Hochplateau bei Silius sind wir weiterhin gnadenlos dem Gegenwind ausgeliefert und es geht nur mühsam vor- und westwärts. Dann endlich geht es definitiv bergab und über San Basilio kommen wir zurück zum Ausgangspunkt.
Senorbi, Parkplatz beim Bahnübergang an der Straße nach Sisini
Senorbi - Siurgus Donigala - Orroli - Escalaplano - Ballao - Villasalto - Silius - San Basilio - Senorbi